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Mädchen-Empowerment - Starke Mädchen

von Fotos von

Mit 13 Jahren bekam Hamida Natabi ihre erste Periode – in der Schule. Weil sie durch ihre Schuluniform blutete, wurde sie von den Jungen ausgelacht. „Ich hatte Angst und wusste nicht, was ich tun sollte“, sagt sie. „Mein Freundin riet mir, ein Taschentuch einzulegen.“

Die schüchterne, schlanke Teenagerin mit der leisen Stimme lebt mit ihrer Großmutter und acht weiteren Familienmitgliedern in einem bescheidenen, halb verputzten Haus im Dorf Malere ca. 80 km westlich von Ugandas Hauptstadt Kampala. Sie erinnert sich, dass sie Angst hatte, ihrer Familie von ihrer Monatsblutung zu erzählen, und dass es keine Damenbinden für sie gab. Weil sie sich so vor den Jungen schämte, ging sie die nächsten drei Tage nicht in die Schule.

Mädchen im ugandischen Distrikt Gomba waschen ihre Damenbinden mit Wasser aus einem Regenwassertank, der gemeinsam von RI und USAID zur Verfügung gestellt wurde.

„Als ich meiner Mutter von meiner ersten Periode erzählte, antwortete sie, sie habe kein Geld für Damenbinden, und sie riet mir, bis zum Ende meiner Periode zu Hause zu bleiben“, erzählt Natabi.

Natabis Großmutter Sarah Nnabagereka, 50 Jahre, sitzt vor ihrem Haus, in einem langen Kleid aus blau, schwarz, braun und hellgelb gemustertem afrikanischem Kitenge-Stoff. Das Haus steht inmitten von grünen Kaffee- und Bananenfeldern, auf denen die meisten Menschen hier ihren Lebensunterhalt verdienen. Nnabagereka ist Landwirtin. Die Schule von Natabi liegt 20 Minuten zu Fuß entfernt.

Eine Packung kommerziell hergestellter Damenbinden kostet in Uganda zwischen 3.000 und 5.000 ugandischen Schillingen (0,85 bis 1,40 Dollar). Das ist mehr, als viele Familien an einem Tag verdienen. Um sich die teuren Hygieneartikel leisten zu können, verkaufen sich viele Mädchen für Sex und setzen sich dabei dem Risiko einer frühen ungewollten Schwangerschaft und Geschlechtskrankheiten aus.

Nnabagereka erklärt, dass das Geld nicht reicht, um ihrer Enkelin jeden Monat Damenbinden zu kaufen. An guten Tagen verdient sie mit dem Verkauf der Ernte zwischen 5.000 und 10.000 Schillingen (1,40 bis 2,80 USD). An manchen Tagen verdient sie überhaupt nichts.

In den ersten vier Monaten nach ihrer ersten Periode fehlte Natabi jeden Monat mindestens drei Tage in der Schule. „Ich hatte Angst, wieder ausgelacht zu werden, und ich hatte keine geeigneten Binden“, sagt sie.

So wie ihr geht es vielen Mädchen und Frauen in ländlichen Gebieten Afrikas, für die der Umgang mit ihrer Periode zu Hause, in der Schule oder am Arbeitsplatz schwierig ist. Es fehlt nicht nur an Produkten für die Menstruationshygiene, sondern oft auch am Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Noch kritischer ist vermutlich die mangelnde Aufklärung zum Thema Menstruation.

Vor dem Einsetzen ihrer ersten Periode hatte Natabi nie mit ihrer Mutter oder Großmutter über die Monatsblutung gesprochen. In Uganda – und in vielen anderen Teilen der Welt – ist die Menstruation nach wie vor ein Tabuthema. Wenn sie überhaupt zur Sprache kommt, dann oft nur, um den Mädchen einzureden, dass die Monatsblutungen etwas Beschämendes und kein Thema sind, über das offen geredet werden sollte. Wenn diese Mädchen dann ihre Periode bekommen, sind sie oft gezwungen, eigene Hygieneartikel zu improvisieren, oft aus unhygienischen alten Lumpen und Stoffteilen.

Die Tabuisierung des Themas hat auch dazu beigetragen, dass immer mehr Mädchen während der Menstruation dem Unterricht fernbleiben. Eine aktuelle Studie über jugendliche Mädchen in Uganda hat gezeigt, dass etwa drei Viertel von ihnen wegen ihrer Menstruation mindestens ein bis drei Tage im Monat und bis zu 24 Schultage im Jahr versäumen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Mädchen die Schule abbrechen. Verantwortlich dafür sind die Stigmatisierung und die Scham, die mit der Menstruation einhergehen, sowie der fehlende Zugang zu Hygieneartikeln.

Natabi besucht die Ndoddo Grundschule, die auf einer kleinen Anhöhe liegt. Zwei Gebäude mit nackten Backsteinmauern und rostigen Dächern beherbergen die Klassenzimmer und die Büros der Schulverwaltung. Risse durchziehen die Zementböden. Die Zimmer sind fensterlos und einige haben keine Türen.

Viele Jahre lang hatte die Schule keine ausreichenden sanitären Einrichtungen für die Schüler. Es gab weder fließendes Wasser noch eine Umkleidekabine oder getrennte Latrinenabteilungen für die Mädchen der oberen Primarstufen. So war es fast schon normal, dass die Mädchen während ihrer Periode nach Hause gingen, um sich zu waschen oder um ihre Damenbinden zu reinigen oder zu entsorgen, was in der Schule nicht möglich war.

Anne Nkutu war sich dieses Problems sehr wohl bewusst. Als Sozialwissenschaftlerin, Spezialistin für die Stärkung von Frauen und Geschäftsführerin eines Beratungsunternehmens in Kampala konzentriert sich Frau Nkutu auf den Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligungen. Die Schaffung eines Umfelds, in dem die Menstruation als gesund und normal angesehen wird und in dem Mädchen und Frauen die Produkte und die Infrastruktur für den problemlosen Umgang mit ihrer Periode vorfinden, „wird es den Mädchen leichter machen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen, und uns der Gleichstellung der Geschlechter ein Stück näher bringen“, sagt Nkutu.

Als Mitglied des Rotary Clubs Kampala Nalya begann sich Nkutu stärker mit den Fragen der Menstruationsgesundheit zu beschäftigen, als die Bereitstellung kostenloser Damenbinden für schulpflichtige Mädchen zu einem Thema im Wahlkampf 2015 wurde. „Das Argument lautet, dass die Bereitstellung kostenloser Damenbinden zur Senkung der hohen Schulabbrecher-Quote unter heranwachsenden Mädchen beiträgt“, sagt sie. „Menstruationsgesundheit hat jedoch viele Aspekte, und Binden sind nur ein kleiner Teil davon.“

Nkutu ist seit Langem eine Anhängerin systemischer Lösungen. Deshalb schloss sie sich einer Bewegung in Uganda an, die öffentliche Richtlinien für den Umgang mit der Menstruationsgesundheit verlangt, und bei der auch viele Rotary-Mitglieder mitmachen. Als erstes mussten das Schweigen und die Tabus zum Thema Menstruation gebrochen werden, um es auf die Tagesordnung im Parlament setzen zu können. „Menstruationshygiene gehörte zu den Themen, die bis vor Kurzem nicht wirklich angesprochen wurden“, sagt sie. Es herrschte die Meinung, dass dies ein Frauenproblem sei, „in das die Männer nicht hineingezogen werden sollten. Und die Schulen der Mädchen wurden von Männern geleitet, die sich keine Gedanken [über Menstruationshygiene] machten. Also blieben die Mädchen lieber zu Hause, als verspottet zu werden.“

Für Nkutu und viele andere war es ein großer Grund zu Freude, als die ugandische Regierung 2018 nationale Richtlinien zur Förderung und Durchsetzung von Standards zum Menstruationsmanagement entwickelte, die allerdings noch offiziell genehmigt werden müssen. Nach Angaben des ugandischen Ministeriums für Bildung und Sport (MoES) legen diese Richtlinien Mindeststandards für das Menstruationsmanagement sowie Leitprinzipien und anschauliche Strategien für die Schulen und Institutionen des Landes fest.

Nkutu und andere Rotary-Mitglieder in Uganda konzentrieren sich jetzt auf die Umsetzung dieser Richtlinien. „Wir bemühen uns darum, das Menstruationsmanagement zu einem festen Bestandteil in den Schulen zu machen und auch die Eltern und Kommunen einzubeziehen“, sagt sie. „Wir hoffen, dass diese Arbeit das Bewusstsein schärft, damit die Eltern verstehen, was die Mädchen durchmachen und welche Art von Unterstützung und Informationen sie benötigen.“

Zu einem angemessenen Gesundheitsmanagement während der Menstruation gehört, dass die Mädchen Zugang zu sauberen, blutabsorbierenden Produkten haben, die sie nach Bedarf und geschützt vor den Augen anderer wechseln können. Außerdem müssen ihnen Seife und Wasser zum Waschen zur Verfügung gestellt werden, ebenso wie Vorrichtungen für die Entsorgung gebrauchter Menstruationsprodukte. Und sie müssen über das Thema Menstruation umfassend aufgeklärt werden, u.a. auch über den Umgang mit Schmerzen.

Für die technische Beraterin zum Thema Gender im MoES, Rosette Nanyanzi, ist die Sicherstellung der Finanzierung eine der wichtigsten Herausforderungen bei der Umsetzung der neuen Richtlinien. „Unser neuer nationaler Strategieplan bringt viele Interessengruppen zusammen, weil wir wissen, dass wir es allein nicht schaffen können“, sagt sie. „Deshalb sind wir froh, Partner wie Rotary zu haben.“

Seit 2019 arbeiten ugandische Rotary Clubs und die Uganda Sanitation for Health Activity (USHA) der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID formal bei Projekten in den Bereichen Wasser, sanitäre Grundversorgung und Hygiene zusammen. Das Menstruationsmanagement nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Die strategische Allianz zwischen Rotary und USAID ist Rotarys größte Partnerschaft außerhalb der Polioeradikation. Sie verbindet das technische Fachwissen von USAID mit der Tatkraft von Aktivist/innen, die wie Nkutu zusammen mit örtlichen Gemeindevertreter/innen die Einhaltung der Standards gewährleisten.

Bis heute haben sich 29 Rotary Clubs in Uganda an der Partnerschaft beteiligt. USAID arbeitet an der Verbesserung der sanitären Einrichtungen und der Hygiene in den Schulen durch die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur, wie mädchengerechten Toiletten und Verbrennungsanlagen, sowie den zugehörigen Schulungen. Rotary übernimmt unterdessen die Führung bei der Lobbyarbeit und arbeitet mit den Distrikt-Koordinationsausschüssen für Wasser- und Sanitärversorgung und den Schulverwaltungsausschüssen zusammen, um die Umsetzung der nationalen Richtlinien zu unterstützen. Außerdem leitet Rotary den Bau von Wasserversorgungssystemen wie Brunnen und Regenwassersammelbecken.

„Die Partnerschaft zwischen Rotary und USAID ergänzt die Stärken beider Organisationen und erhöht somit ihre Wirkung. Damit ist die WASH-Gleichung vollständig“, meint Jonathan Annis, Leiter der USHA-Abteilung.

In der Schule von Natabi beispielsweise führte die Partnerschaft dazu, dass ein Loch gebohrt und ein Latrinenblock für Mädchen gebaut wurden, komplett mit einem Umkleideraum und einem Verbrennungsofen für die Entsorgung der Sanitärabfälle. Schulleiter Ronald Katambala sagt dazu: „Jetzt haben wir einen Umkleideraum, fließendes Wasser und Seife für die Mädchen, die dem Unterricht nicht mehr fernbleiben müssen.“

Die Not der Mädchens verbessert sich aber erst, wenn sich auch die Einstellungen ändern. Deshalb hat das MoES ein Schulungshandbuch entwickelt, das den Lehrer/innen und anderen Stakeholdern dabei helfen soll, den richtigen Umgang mit der Menstruation in der Schule und im Gemeinwesen zu fördern. Rotary-Mitglieder und ihre Partner helfen beim Verbreiten dieser Informationen. „Uns wurde klar, dass den Gemeinden die Informationen fehlen und es den Eltern schwerfällt, mit den Mädchen über das Thema Menstruation zu sprechen“, sagt Nanyanzi. „Wir mussten ihnen dabei unter die Arme greifen.“

Weil kommerziell hergestellte und im Geschäft erhältliche Menstruationsprodukte für die meisten Menschen in Uganda noch immer viel zu teuer sind, zeigen von Rotary unterstützte Initiativen den Schülerinnen, wie sie eigene Binden aus günstigeren Materialien aus der Region anfertigen können. In der Grundschule Ndoddo hört eine Gruppe von Schüler/innen aufmerksam zu, während die Lehrerin Resty Nakatudde die Herstellung wiederverwendbarer Binden demonstriert.

In der Regel beginnt sie die Stunde mit einem Vortrag über Sexual- und Fortpflanzungshygiene sowie über Menstruationshygiene im Allgemeinen. Sie spricht auch mit den Jungen, um ihr Verständnis der Problematik zu verbessern. „Und jetzt stellen wir die Binden her“, sagt sie dann und zeigt, wie es geht. „Dazu brauchen wir ein Baumwolltuch, Plastikfolie, eine Einlage, eine Nadel, Faden und einen Knopf. Das Baumwolltuch kommt nach oben und saugt das Menstruationsblut auf. So wird verhindert, dass es ausläuft.“

Nachdem sie die einzelnen Schritte der Bindenherstellung ausgeführt haben, kommen die Schüler/innen einzeln nach vorne und zeigen, was sie gelernt haben. Sie erhalten auch eine gedruckte Anleitung für das Nähen der Binden. Nach dem Unterricht werden die Mädchen aufgefordert, Binden für den Eigengebrauch zu nähen. Die Jungen schenken die genähten Binden ihren Schwestern oder anderen Mädchen in der Gemeinde.

Nakatudde möchte „die Menstruation als einen natürlichen Entwicklungsschritt des Erwachsenwerdens von Mädchen darstellen, für den man sich nicht schämen muss.“ Die Jungen werden bewusst einbezogen, um der Monatsblutung das Stigma zu nehmen und Hänseleien einen Riegel vorzuschieben. „Uns wurde gesagt, dass die Jungen die Mädchen jetzt nicht mehr verspotten, wenn ihre Uniformen blutig werden. Statt dessen bieten sie ihre Hilfe an, soweit sie es können.“

Damit die Schulung noch mehr bringt, wird sie auch den Eltern angeboten. Das ist laut Nakatudde wichtig für die Vermittlung von grundlegenden Kenntnissen und Informationen über die richtige Menstruationshygiene und erklärt den Eltern, wie sie ihren Töchter helfen können, mit Schmerzen und anderen Symptomen besser zurechtzukommen. Die meisten befürworten diese Initiative. An einigen Schulen geben die Eltern sogar Geld für die Herstellung von Binden, die dann an die Mädchen nach Bedarf verteilt werden können.

Trotzdem muss noch mehr für die Aufklärung und Lobbyarbeit getan werden, um lang gehegte Tabus in Verbindung mit der Menstruation zu brechen, meint Nakatudde: „Die Auffassungen zur Menstruation haben sich vor allem in den Gemeinden, in denen wir tätig sind, im Laufe der Zeit geändert. Wir haben aber immer noch nicht so viele Menschen erreicht, wie wir uns vorgenommen haben.“

Natabis Leben hat sich durch diese Initiative für immer verändert. Sie hat gelernt, wie sie richtig mit ihrer Periode umgeht: „Seit ich meine eigenen Binden nähe, kann ich viele Dinge tun, wie Kochen und Wasserholen, ohne mir Sorgen machen zu müssen. Und ich muss nie wieder dem Unterricht fernbleiben.“

Erfahren Sie mehr über die Partnerschaft von Rotary und USAID.

Das Schweigen brechen

Während der Corona-Pandemie gründete Sharmila Nagarajan mit einigen Frauen, die sie durch Rotary kannte, eine WhatsApp-Gruppe, die schnell auf über 200 Personen auf der Suche nach einem gemeinsamen Projekt anwuchs. „Mit all dieser Frauen-Power mussten wir einfach etwas mit großer Wirkung machen“, erklärt Nagarajan, Präsidentin des Rotary Clubs Tower Hamlets in London.

Mit Zuspruch aus der höchsten Führungsebene von Rotary, wie dem RI-Präsidenten 2020/21 Holger Knaack, riefen sie die Rotary-Aktionsgruppe für Menstruationsgesundheit und Hygiene (Rotary Action Group for Menstrual Health and Hygiene) ins Leben. Seit ihrer Gründung im März 2021 schlossen sich Frauen und Männer aus 20 Ländern auf fünf Kontinenten der Gruppe an.

Die Aktionsgruppe begann mit einer Lobby-Kampagne, um gemeinsam mit Ärzten und Sozialarbeitern auf Aufklärungsworkshops über frauenspezifische Probleme von der Pubertät (Menarche) bis zu den Wechseljahren (Menopause) zu informieren. Nach Meinung von Vizepräsidentin Vidhya Srinivasan vom Rotary Club Madras Temple City in Indien ist „die Menstruation ein Tabuthema. Wir sind die Vorreiter/innen. Wir wollen das Schweigen brechen und eine Plattform für das Gespräch und ein sicheres Umfeld für eine offene Diskussion zu diesem Thema schaffen.“

• Der Originalbeitrag erschien in der März-Ausgabe 2022 des Magazins Rotary.

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