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20 Jahre Dienst ohne Grenzen

67.000 Operationen, 250.000 Menschen  - ehemaliger RI-Präsident bringt medizinische Einsatzhilfe für Menschen in Not

Als Rajendra Saboo im Jahr 1992 seine Amtszeit als Präsident von Rotary International abschloss, begann er sich zu überlegen, wie er Menschen weiterhin helfen könnte. Und als er 1998 seine Amtszeit als Trustee Chair der Rotary Foundation beendet hatte, kam er zu dem Schluss, dass er selbst mit Hand anlegen wollte. 

„Als ich Rotary Präsident war, lautete mein Leitmotiv ‘Sieh mehr als nur dich selbst’“, erzählt Herr Saboo, der Mitglied im Rotary Club Chandigarh in Indien ist. „Ich dachte an grenzüberschreitende Hilfsinitiativen und überlegte mir: ‘Gibt es etwas, das Indien beitragen kann?’ Mir wurde bewusst, dass die Medizinwissenschaft in Indien recht fortgeschritten ist und es Ärzte gibt — Ärzte, die Rotarier sind — die in Afrika, wo die medizinischen Bedürfnisse unwahrscheinlich groß sind, etwas bewirken könnten.“

Während einer Mission in Kigali, Rwanda, im Jahr 2016 bewies Saboo, dass er sein Unbehagen im Umgang mit Blut überwunden hatte, um ein effektives Mitglied des medizinischen Teams zu werden.

Saboo sprach mit Nandlal Parekh, einem Rotarier-Freund und Arzt, der in Uganda praktizierte, bevor er vom Diktator Idi Amin vertrieben wurde. Doktor Parekh fand, dass Uganda, obwohl es sich noch inmitten eines Bürgerkriegs befand, ein ausgezeichneter Ort für eine medizinische Mission wäre. Die Reise, die Saboo 1998 organisierte, war der Beginn von 20 Jahren medizinischer Missionen und über 67.000 Operationen.

Saboo stellte ein Team von Chirurgen, die Erfahrungen mit Korrekturoperationen an Polio-Patienten hatten, sowie ein Team von Augenärzten zusammen, die ihn auf dieser ersten Reise begleiten sollten. Ein paar Tage vor ihrer geplanten Abreise verübten Terroristen Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania, bei denen Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ein dritter Anschlag auf die ugandische Hauptstadt Kampala wurde vereitelt.

„Wir waren verängstigt“, fügte er hinzu. „Die Ärzte fragten ebenfalls: Sollen wir gehen? Werden wir sicher sein?“ 

Doch dann hatte Saboos Frau Usha ein Gespräch mit einer Frau, die von einer Freiwilligen-Mission, bei der sie verwundeten Kriegsopfern im ehemaligen Jugoslawien geholfen hatte, zurückgekehrt war. Usha fragte sie, ob sie sich gefürchtet hatte.

„Man stirbt nur einmal“, hatte die Frau geantwortet. „Und es kommt darauf an, wie man stirbt. Ich hatte damals keine Zeit mich zu fürchten, da ich der Menschheit half.“

Saboo erinnert sich: „Diese Antwort beeindruckte Usha. Sie erzählte mir davon. Daraufhin beriefen wir eine Versammlung ein, bei der sie von ihrer Unterhaltung berichtete. Die Ärzte und Freiwilligen sagten hinterher, sie seien bereit, zu gehen.“

Sie trafen drei Tage nach den Bombenanschlägen ein. Von Kampala aus fuhr ein Team mit einem Bus vier Stunden östlich nach Masaka, während das andere Team in den Norden nach Gulu reiste, um Augenoperationen durchzuführen. Das örtliche Krankenhaus hatte schon seit sieben Jahren keinen Augenarzt gesehen. Einige der älteren Frauen tanzten nach ihrer Augenoperation vor Freude, da sie noch nie zuvor ihre Enkelkinder gesehen hatten.

Saboo, der keine medizinische Ausbildung hat, wurde es mulmig, als er Blut sah. Aber das Team brauchte die Hilfe aller Freiwilligen — beim Waschen der schmutzigen Füße von Kindern, die auf ihre Operation vorbereitet werden sollten, beim Platzieren von Patienten auf Krankentragen, beim Anlegen der Infusionsschläuche und bei allen anderen Notwendigkeiten.

„Madhav Borate, der Leiter unserer medizinischen Mission war, sagte: Raja, zieh dich um und komm in den Operationssaal. Du musst das Handgelenk des Patienten halten, während wir operieren, und den Puls überwachen“, erinnert sich Saboo. „Ich sagte, Madhav, bist du verrückt? Ich kann nicht mal zusehen, wenn jemand eine Spritze bekommt. Ich kann kein Blut sehen. Ich würde ohnmächtig werden.“

Herr Borate erinnert sich ebenfalls an diesen Tag. „Den Operationssälen mangelte es an Überwachungsgeräten, u. a. an einem sogenannten Pulsoximeter“, meint er. „Daher beschlossen wir, drei Rotarier darin zu schulen, den Puls der Patienten zu fühlen und den Anästhesisten wissen zu lassen, wenn er zu schnell oder zu langsam wurde. Wir begannen, die Freiwilligen als unsere Pulsmesser zu bezeichnen.“  

„Ich sah Blut“, sagt Saboo. „Ich sah alles und mir ist nichts passiert. Das hat mich total verändert.“

 

Rajendra Saboo und seine Frau Usha wurden im Jahr 2015 in die Arch Klumph Society eingeführt.

Die Teammitglieder begannen sofort nach ihrer Rückkehr nach Indien, ihre  nächste Reise zu planen, diesmal nach Äthiopien und mit zusätzlichen Spezialisten. Im dritten Jahr reisten sie nach Nigeria. In den 20 Jahren seit dieser ersten Reise nach Uganda wurden über 500 Freiwillige in 43 Länder entsandt, sie führten 67.000 Operationen durch, untersuchten 250.000 Patienten und erhielten Zuschussgelder in Höhe von 2,4 Mio. USD von der Rotary Foundation und von Distrikten in Japan, Korea, Taiwan und anderen Ländern. Sie haben veranlasst, dass afrikanische Patienten mit komplizierten medizinischen Problemen zu Behandlungszwecken nach Indien geflogen wurden und auch Missionen in Indien selbst durchgeführt.

Letztes Jahr kehrte das Team anlässlich des 20. Jubiläums der Mission nach Uganda zurück. Das Land ist jetzt wohlhabender und friedlicher, hat jedoch weiterhin viele Bedürfnisse.

„Die Infrastruktur und die Krankenhauseinrichtungen waren viel besser und das Pflegepersonal war sehr kooperativ und hilfsbereit“, betont Dr. Borate. „Aber es bestand weiterhin, selbst bei routinemäßigen Operationen, ein erheblicher Mangel an Sanitätsartikeln, Instrumenten und Geräten.“

Trotz alledem konnte das Team mit der Hilfe von Rotariern und Ärzten aus Uganda 1.100 Operationen durchführen, u. a. 440 Augenoperationen, 452 zahnärztliche Eingriffe, 25 Rekonstruktionsoperationen und 84 allgemeine Operationen. 

„Das sind die bedeutendsten Auswirkungen, die ich in meinen 22 Jahren als Rotarier gesehen habe“, meint Emmanuel Katongole, ehemaliger Governor aus Distrikt 9211 (Tansania und Uganda). „Wenn man so viele Menschen mit komplexen Problemen tagelang Schlange stehen sieht, um eine Operation zu erhalten, bedeutet ihr glücklicher Gesichtsausdruck so viel. Wir erhalten immer noch Anrufe mit der Frage: „‘Wo sind die Ärzte aus Indien? Können sie zurückkommen?’ “

Für das Jahr 2019 hat sich Saboo ein noch größeres Ziel gesteckt. „Sam Owori, der zum RI Präsident für das Geschäftsjahr 2018/19 gewählt worden war, jedoch im Jahr 2017 starb, sagte zu mir: ‘Raja, ich hätte gerne, dass Sie während meines Amtsjahres als Präsident veranlassen, dass ein Ärzteteam in jeden Distrikt von Afrika geschickt wird.’ Ich sagte, dass ich es versuchen würde.“  

„Nachdem Sam Owori starb, sagte Präsident Barry Rassin zu mir: Raja, wir wollen sehen, ob wir Sams Traum erfüllen können. - Ja, und das haben wir jetzt vor.“

— Frank Bures

• Übersetzt aus The Rotarian